Spielverbot für Roncalli ein Schock für 150 Künstler

Offener Brief von Roncalli-Gründer und –Direktor Professor Bernhard Paul

Recklinghausen. Mit Bestürzung hat das Roncallli-Team am Mittwoch vom Spielverbot für die Premiere heute Abend und das komplette Gastspiel erfahren. Circus-Direktor Bernhard Paul (Kulturbotschafter des Landes Nordrhein-Westfalen und Träger des Verdienstordens des Landes Nordrheinwestfalen), der erst kürzlich zusammen mit Recklinghausens Bürgermeister Tasche das neue Programm der Tournee 2020 vorstellte, hat sich in einem offenen Brief an den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, gewandt. Hier der komplette Brief:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

mitten in der Generalprobe zur morgigen Premiere und zum nachfolgenden Recklinghausen-Gastspiel erfuhr das Circus-Theater Roncalli, dass soeben vom Kreis Recklinghausen beschlossen wurde, sowohl die Premiere als auch das Gastspiel zu untersagen. (In Bayern darf jedoch der Circus Krone spielen und auch in München spielt der feste Circus-Bau.) Das Circus-Theater Roncalli hat zwei Jahre das neue Programm vorbereitet: „All for ART for All“. Ein Jahr wurden Kostüme und Requisiten hergestellt, Musiken komponiert, Plakate entworfen und gedruckt, der ganze Circus restauriert und neu gestrichen. Seit einem Jahr sind die Karten im Vorverkauf und die gesamte Tournee penibel vorbereitet. Dann das Spielverbot. Roncalli beschäftigt 150 Künstler, Musiker und Techniker aus der ganzen Welt. Das Circus-Theater Roncalli ist im 44. Jahr seiner Geschichte mit erfolgreichsten Programmen und internationalen Auszeichnungen. Die Kosten für die Anreise, sowie PR- und Marketingmaßnahmen, den Sonderzug, sowie der bürokratische Aufwand, haben bis jetzt alleine 500.000 Euro verschlungen. Im Anschluss an Recklinghausen war Köln geplant und vorbereitet. Ob das Gastspiel verspätet beginnt, steht noch nicht fest.

Irgendwie bezeichnend ist es, dass alle Welt nur über Fußball redet, aber das momentan der deutschen Kulturszene ein enormer Schaden entsteht, daran denkt niemand. Ausstellungen, Theater, Konzertsäle, Gemälde-Galerien und Museen mussten über Nacht geschlossen werden. Die staatliche Kulturszene, wie Theater und Opernhäuser sind natürlich subventioniert, aber es gibt eine enorme private nicht-subventionierte Kulturszene, die sich von diesem „Kulturschock“ jahrelang nicht erholen wird. Das wird von der Politik nicht bedacht. Momentan wird nur über Hilfen für die Wirtschaft gesprochen, die Kultur ist einmal mehr das Stiefkind. Wir haben vollstes Verständnis für die Situation und erwarten, dass man uns in dieser kritischen Lage nicht alleine lässt. Wir haben 250 Arbeitsplätze zu erhalten. Ein Unternehmen dieser Art zu verteidigen ist, wie das Überleben des sibirischen Tigers zu sichern. Einmal ausgestorben ist er nicht mehr zum Leben zu erwecken.

Wir bringen Freude, Entspannung und Kultur für die ganze Familie in die Städte. Reisen seit 43 Jahren durch Deutschland und haben noch nie einen Euro Subvention, Unterstützung oder Steuererleichterung erhalten. Wir zahlen seit zig Jahren pünktlich unsere Steuern in Deutschland und waren immer korrekt. Haben den tierfreien Zirkus erfunden, haben als erster Zirkus schon vor drei Jahren auf plastikfrei umgestellt. Es wäre eine Schande, wenn wir jetzt unverschuldet vor die Hunde gehen.

Bernhard Paul

Donnerstag, 12. März 2020, 7:37 • Verfasst in Vest

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